Ein anderer Sommer

Juni 2007

Auf leisen Sohlen ist der Sommer ins Land gezogen. Wieder surren allerorts die Klimaanlagen, Eiscreme und gekühlte Wassermelonen haben Hochsaison, die Strände sind überfüllt, der Himmel wölbt sich blau, Zikaden und Kakerlaken schwirren durch laue Nächte und im Kindergarten tummeln sich Zweijährige im Plantschbecken und gefrässige Seidenraupen in einem Karton voller Erdbeerblätter. In unserer Wohnung hingegen türmen sich Kisten, und darin liegt der feine Unterschied zu anderen Sommern. Unsere Umzugsvorbereitungen laufen auf Hochtouren und krempeln unseren Alltag um.

In wenigen Wochen werden wir die Wohnung für den Mieter räumen, der dann mit Sack, Pack und Tocher einziehen und den letzten Hauch unseres Daseins aus diesen Räumen vertreiben wird. Die Möbelpacker werden anrücken, alles nicht aussortierte in Kisten packen, die Kisten in einen Container laden und den Container verschiffen, damit er sich auf die lange Reise über den grossen Ozean machen kann, in das ferne Land, an die westliche Küste, in die kunterbunte Stadt, die sich Berkeley nennt und San Francisco so nah ist.

Gerade heute haben wir in Tel Aviv endlose Stunden bei der amerikanischen Botschaft verbracht, nur um festzustellen, dass Bürokratie eben überall gleich ist. Die Schlangen sind lang, die Mühlen mahlen langsam, wer nicht alle Belege vorlegt, muss wiederkommen, nochmals durch die glühende Stadt laufen, Geld holen, Überweisungen tätigen, sich erneut durch die strengen Sicherheitskontrollen schleusen lassen, noch einmal am Schalter warten, um dann am Ende selig das gewünschte Visum in Empfang zu nehmen. Der plötzliche Adrenalinstoss liess gleich alle Qualen vergessen, die Kopfschmerzen verrauchen, Durst und Hunger verschwinden.

Langsam werden also die Hürden kleiner und die Planungen konkreter. Die Tage bei der Arbeit sind gezählt, der Tag der Abreise ist noch nicht festgelegt, aber ins Auge gefasst. Eine Wohnung ist gefunden, ein Kindergarten auch, fehlt nur noch ein neuer Job für mich, aber der ist mit Genehmigung des besonderen Visums zumindest schon in die Kategorie "Erlaubt" gerutscht.

Wenn die Zeit reif ist, wird mir dann ein entscheidender Faktor bei der Jobsuche helfen: Globalisation. Denn durch die Society for Technical Communication (STC), die ein weltweites Netzwerk technischer Redakteure geschaffen hat und deren örtliche Schriftführerin ich zur Zeit noch hier in Israel bin, werde ich im Grossraum des Silicon Valley gleich einen Anlaufpunkt haben. Interessanterweise ist Israel übrigens der grösste STC-Verband ausserhalb der Vereinigten Staaten—ein weiteres Indiz dafür, dass dieses kleine Land tatsächlich ein zweites Silicon Valley darstellt.

Ob sich weitere Parallelen ziehen lassen, werde ich vielleicht später im Jahr berichten können. Bis dahin gilt es, den Umbruch zu meistern. Eiscreme und Wassermelonen helfen da sehr.

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