Sonnenschein zu dritt

April 2005
Langsam wird es Zeit, dass ich meine Aufmerksamkeit auch wieder anderen Dingen schenke. Doch die Welt ist eine andere. Die Tage sind länger und heller, die Nächte kürzer und lauter, und das nicht nur, weil wir auch hier inzwischen auf Sommerzeit umgestellt haben.
Seit 15. Februar sind wir zu dritt. Yair heißt der kleine Mann in unserer Mitte, was so viel bedeutet wie "wird Licht bringen" oder "wird erleuchten". Und Licht hat er tatsächlich gebracht, nachdem das Trauma der Geburt überwunden war. Inzwischen lächelt er schon wie ein Weltmeister, pinkelt mit Vorliebe ins frisch eingelassene Badewasser und entdeckt jeden Tag ein Stück mehr Welt.
Letzte Woche dann die Schreckensnachricht. Nachdem mein Mann den Kleinen auf unsere gemietete Babywaage gelegt hat, verkündet er lautstark, Yair habe in den letzten Tagen an Gewicht verloren, habe überhaupt im letzten Monat nicht zugenommen, wie es sich gehört. Mir bricht der Schweiß aus – schon wieder Stress pur, dabei dachte ich, wir hätten dieses Problem inzwischen zu den Akten gelegt. Kopflos starte ich also einen Still-Marathon, den zweiten in Yairs jungem Leben. Gönne ihm kaum eine ruhige Minute, verbanne den Schnuller so gut es eben geht, stille stundenlang.
Bis mein Mann gestern abend plötzlich kleinlaut neben mir steht. Es sei ja so... Er habe sich vertan... Er habe die Waage nicht richtig eingestellt... Mehr als fünf Kilo bringt unser Sohn bereits auf die Waage – den Marathon hätte ich mir also getrost sparen können. Seither gehen wir das ganze gelassener an, und ich nehme mir endlich Zeit zum Schreiben, während mein Schwager unten mit seinem Neffen spielt.
Wir haben uns also schon gut aneinander gewöhnt und drehen jeden Tag unsere Runde im Dorf. Ab dem späten Nachmittag tummeln sich auf dem nahen Spielplatz die heimgekehrten Mütter (zuweilen auch Väter) mit ihren Kindern – und das sind viele hier, im Gegensatz zu Deutschland. Noch halte ich Sicherheitsabstand und schiebe höchstens mal mit dem Kinderwagen durchs Gemenge, aber bald werde ich sicher auch eine dieser Mütter sein, die mit anderen Müttern über die Fortschritte reden, die ihr Kind in Hort oder Kindergart macht, während seine Hightech-Mami im gut akklimatisierten Büro am Computer sitzen.
Die Vorbereitungen hierfür sind bereits getroffen; wir haben unserem Sprößling ein drittes Großeltern-Paar gefunden: Andi und Ruti, die vor zehn Jahren aus Venezuela eingewandert sind, werden ihn im ersten Jahr unter ihre Fittiche nehmen, damit ich Ende Juni wieder vollzeit hinter meinem Bildschirm verschwinden kann. Dass die beiden weder Hebräisch noch Deutsch oder Englisch mit ihm sprechen werden, sondern als Viertsprache Spanisch einführen, macht meinem Mann da mehr Sorgen als mir. Bevor Yair an zu sprechen fängt, muß er jedenfalls erstmal auch den Rest seiner Familie kennenlernen. Nicht, dass er die zwei März-Wochen mit den Großeltern aus Deutschland nicht genossen hätte, aber schließlich warten auch Onkel, Tante und vor allem die Urgroßeltern auf ihn. Deshalb steigen wir nächste Woche in den Flieger, um drei Wochen lang auf Tuchfühlung zu gehen. Und die werden wir genießen. Jetzt aber steht erst einmal ein kalorienreiches Pessach-Fest an, mit ungesäuerten Broten, Wein und vielen Leckereien.

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