Morgenstund
Juni 2004
7:52 Uhr, 24° Celcius. Langsam wälze ich mich in der Blechlawine vorwärts. Vor mir liegen Bnei Barak und Givat Shmuel noch unter einer Dunstglocke. Zu meiner Rechten und Linken dehnen sich Zitrushaine, jetzt die Hauptquelle saftigen Grüns inmitten staubiger Trockenheit. Wenig später passiere ich den Safari-Park, in dem sich Zebras, Nilpferde, Strauße und Co. gerade aufgeregt um ihr Frühstück drängen. Schon lange vor der Fütterung haben sich Duzende von Vögeln auf den Hochspannungsleitungen aufgereiht. Jetzt mischen sie im bunten Treiben mit und stibitzen das Futter der Parkbewohner. Ein normaler Morgen auf dem Weg zur Arbeit also. Fast jedenfalls.Während normalerweise um diese Zeit noch ein Schleier der Müdigkeit auf mir liegt, singe ich heute schon ausgelassen zur Musik auf Galgalatz und lasse mir von den allmorgendlichen Staus nicht die Laune verderben. Obwohl ich nicht eine von denen bin, die diese Wartezeit konstruktiv nutz – wie der Herr neben mir, der zwischen zwei Schlucken Kaffee hektisch die Zeitung auf seinem Lenkrad umblättert; oder die Dame im Rückspiegel, die gerade ihr Make-up auflegt; oder der junge Mann im Auto vor mir, dessen gleichmäßigen Armbewegungen ich entnehmen kann, daß er gleich mit seiner Rasur fertig ist. Wenn ich wollte, könnte ich sicherlich einen der Bagel ergattern, die an Kreuzungen gerne verkauft werden. Oder frische Erdbeeren vom Bauchladenmann, der sich vorsichtig seinen Weg durch die wartende Autoschlange bahnt. Ich könnte auch ein bißchen Kleingeld loswerden an den Bettler, der jeden Morgen an der gleichen Ampel steht und langsam von Auto zu Auto schlurft. Manchmal mache ich das.
Aber heute singe ich nur zu vitalisierenden Radiorhythmen und amüsiere mich sogar über einen Unfall, der im Dämmerzustand passiert sein muss – jemand hat es geschafft, den Beginn einer Leitplanke als Rampe zu benutzen: Vor mir schwebt ein strahlend weisser Viertürer lächerlich hilflos in der Luft. Heute wie in den nächsten Tagen kann mich sowas nicht tangieren. Denn der Countdown läuft. In weniger als zehn Tagen mache ich mich auf den Weg ins grüne Warstein, um endlich mal wieder eine Chance auf Regen mitten im Sommer wahrzunehmen.
Bei der Arbeit bricht langsam Panik aus ob meines drohenden Urlaubs. Schon werden Status-Treffen anberaumt, um alle Dringlichkeiten abzuklären. Ganze fünf Arbeitstage mache ich mich aus dem Staub, aber allen außer mir erscheinen sie endlos. Natürlich, das sind immerhin ein Drittel meines Jahresurlaubs, angekündigt acht Monate im Voraus. Mühsam zusammengespart und gut gehütet. Umso schöner, daß ich gleich Schützenfest und Abi-Treffen zusammen feiern kann. Es muß sich ja lohnen.
Als ich Givat Shmuel passiere, das übliche Nadelöhr auf dieser Strecke, lichtet sich der Stau und ich kann endlich wieder Gas geben. Ich beschleunige schnell und wähne mich schon fast in einem der Flugzeuge, die ich in der Ferne von Ben Gurion aufsteigen sehe, Israels internationalem Flughafen, dessen neuer „Terminal 2000“ auch nach vierjähriger Verspätung noch nicht eröffnet ist. Dann setze ich den Blinker, um die Ausfahrt Or Yehuda nicht zu verpassen. Ein bißchen muß ich mich noch gedulden. Aber jeden Tag bin ich der Heimat ein Stückchen näher.
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