Abschiede...

Oktober 2003
Wieder ein Abschied von Deutschland. Und Abschiede werden nicht leichter mit der Zeit. Wer immer das glaubt, irrt gewaltig. Hinter mir liegt eine Woche goldenen Oktoberwetters. Ich habe gesehen, wie sich das Laub verfärbt, und die fallenden Blätter gezählt; habe den klar-blauen Herbsthimmel bewundert, dessen Intensität sich im Licht der wandernden Sonne verändert; habe den Duft der Tannen geatmet, im Wald den nadelweichen Boden unter meinen Füßen gefühlt und den kalten Hauch des den Winter ankündigenden Ostwindes im Gesicht gespürt. Kopf und Herz sind voll von Erinnerungen an lange Gespräche und liebevoll verbrachte Stunden. Und auf der Zunge wähne ich noch immer den Geschmack von Omas Pflaumenkuchen - dem letzten dieser Saison und für mich der erste seit langer Zeit.
Jetzt sitze ich wieder im Flieger gen Osten. Die Traurigkeit will nicht ganz weichen, aber leise breitet sich doch auch kribbelnde Vorfreude aus. Gleich werde ich am Horizont den nächtlich hell erleuchteten Küstenstreifen Israels sehen und wieder in die noch nicht enden wollende Wärme des nahöstlichen Herbstes eintauchen. Hier verfärbt sich kein Laub, hier sinkt das Thermometer selbst an den kältesten Tagen des Jahres nicht unter den Gefrierpunkt - nicht im Zentrum des Landes, unweit des Meeres, dort, wo ich wohne. Gerade, dass wir nachts ohne Klimaanlage auskommen. Noch klettert der Quecksilberpegel am Mittag auf nahezu 30 Grad Celsius, zirpen zu später Stunde – manchmal geradezu penetrant - die Zikaden in lauwarmer Nacht. Zu Hause werde ich daher meine Winterkleidung noch einmal in die Tiefen meines Kleiderschrankes verfrachten. Noch ein, zwei Monate darf sie dort schlummern, bevor es auch hier kühler wird.
Jetzt heißt es erst einmal: Zurück in den Alltag! Es ist frühmorgens, als ich meine Koffer endlich in die Wohnung trage. Am Himmel kann ich schon einen Silberstreif ausmachen. Ich bin müde, aber das hilft nicht viel – die aufgehende Sonne kündigt den neuen Arbeitstag an. Erschöpft stelle ich meinen Wecker und krieche für knapp drei Stunden Schlaf unter die Decke. Mein Urlaub ist entgültig vorbei. Israel hat mich wieder.

Keine Kommentare: