Tannenduft in Haifa

Weihnachten 2006
Seit Jahren schreibe ich davon, dass Weihnachten hier unbemerkt vorübergeht. Dass selbst am Weihnachtstag in Jerusalem kaum etwas Festliches zu spüren ist. Und dann sitzt plötzlich Costi im Büro neben mir, der nicht nur das Fest der Feste feiert, sondern neben Arabisch, Hebräisch und Englisch auch noch fliessend Deutsch spricht.

Costi ist Direktor der Abteilung Technischer Support. Schon seit Jahren hält er der Firma, für die ich seit August arbeite, die Treue. Aber vor langer Zeit hat er an der Technischen Universität Berlin studiert. Das war damals, kurz vor dem Mauerfall, als Berlin noch klein war und Witze über Ostfriesen und Helmut Kohl hoch im Kurs standen. Noch heute denkt Costi gern an diese Jahre zurück. Filterkaffee vermisse er, gesteht er. Doch da seine Frau den Instantkaffee liebt, der hierzulande getrunken wird, steht die mitgebrachte Kaffeemaschine schon seit Ewigkeiten im Schrank.

Wie er in Deutschland gelandet ist? Ganz einfach, erklärt Costi. Er sei auf eine deutsche Schule gegangen und habe über die lutheranische Gemeinde Kontakte geknüpft. Noch heute bekommt er regelmässig „TU Berlin International“ zugeschickt, eine Zeitschrift für ausländische Absolventen, und in seinem Büro hängt seit gestern der Kalender „Kieler Impressionen 2007“ -- das Weihnachtsgeschenk eines deutschen Kunden.

Inzwischen hat Costi die deutschen Bande aber auch an seine Kinder weitergereicht. Fadi, sein 14jähriger Sohn, ist erst kürzlich begeistert aus Wiesbaden zurückgekehrt. Dort hat er gemeinsam mit deutschen Jugendlichen einen Schüleraustausch für April 2007 vorbereitet.
Fadi und sein 10jähriger Bruder Rami gehen auf die „Schwestern von Nazareth“ Schule, eine katholische Privatschule in Haifa. Dabei gehört die Familie der Evangelischen Gemeinde an. Da Costi evangelisch und seine Frau katholisch ist, haben sie so einen ökumenischen Mittelweg gefunden.

Überhaupt müssen sie sich als Christen im israelischen Alltag arrangieren. An Sonntagen zum Beispiel, wenn bei uns die Woche anfängt, bleibt es in Costis Büro dunkel. Dafür arbeitet er freitags, wenn wir anderen schon unser Wochenende geniessen. An christlichen Feiertagen muss er sich Urlaub nehmen.

Und Weihnachten? Das ist natürlich etwas ganz besonderes. Schon Anfang Dezember, passend zu Fadis Geburtstag, schmückt die Familie den Weihnachtsbaum. „Das macht jedes Jahr viel Spass,“ erzählt Costi. Besonders Nicole, seine 4jährige Tochter, ist bereits Tage vorher aufgeregt.

Am vierten Adventswochenende veranstaltet die Gemeinde einen Bazar, auf dem die Mitglieder selbstgemachte Handarbeiten verkaufen. In der darauf folgenden Woche zieht dann der Kirchenchor durch die Häuser der Gemeinde und bringt ein wenig Freude selbst in die Altersheime und Krankenhäuser. Nicht immer gelingt es Costi, dabei zu sein. Dieses Jahr jedenfalls hat ihm der Job einen Strich durch die Rechnung gemacht und seine Frau musste alleine die Stellung halten.

Am Heiligabend feiert die Familie traditionell in ihrem Haus in Haifa, zusammen mit Costis Mutter Judith, seinem Bruder Saba, dessen Frau Hala und deren Söhnen (Hanna, 21, und Amir, 10) und Töchtern (Niveen, 22, und Mary, 15). Dann gibt es Truthahn, traditionellen Weihnachtskuchen und fruchtige Plätzchen. Und natürlich Geschenke. Nur Schnee erwartet hier niemand. Aber das ist manchmal auch besser so.

Keine Kommentare: